Unsere aktuellen Nachrichten
auf einen Blick
Gehörlosenseelsorge der EKvW feiert in Recklinghausen

Ein Fest für Tansania, mitten in Westfalen

Trotz Bahnstreiks haben Gehörlose aus den unterschiedlichsten Teilen der westfälischen Kirche am 8. März den Weg nach Recklinghausen gefunden. Im Gehörlosenzentrum fand dort das Westfälische Tansania-Fest statt. Ein Bericht von Pfarrerin Barbara Plümer von der Gehörlosenseelsorge im Kirchenkreis Siegen-Wittgenstein:

An diesem Freitag ist das Gehörlosenzentrum in Recklinghausen mit 80 Personen sehr gut gefüllt. Der Saal ist dazu hübsch geschmückt: Frühlingssträußchen auf den Tischen, daran hängen gebastelte Freundschaftstauben mit tansanischer und deutscher Flagge und Servietten mit afrikanischem Motiv.

Doch es ist nicht die Dekoration, die die Menschen herlockt. Vielmehr werden hier heute zwei Gäste von der Gehörlosenschule in Mwanga, Tansania, erwartet: Die Schulleiterin Navotha Malaki und ihre gehörlose Mitarbeiterin Hosiana Swai. Sie sind der Einladung der Gehörlosenmission der DAfeG (Deutsche Arbeitsgemeinschaft für evangelische Gehörlosenseelsorge) gefolgt und werden am folgenden Wochenende an der Missionkonferenz in Wuppertal teilnehmen. Doch zuvor sind sie Gäste der westfälischen Gehörlosenseelsorge und Ehrengäste des Tansania-Festes in Recklinghausen.

Dies beginnt mit mit dem gemeinsamen Gottesdienst, der ökumenisch gestaltet wird von den hörenden Pfarrerinnen und Pfarrern der westfälischen Gehörlosenseelsorge, dem bald ausscheidenden gehörlosen Laienprediger, Detlef Gersmann, und der Pastoralreferentin der Gehörlosenseelsorge im Bistum Münster, Monika Prillwitz. Sie stehen für alle gut sichtbar auf der Bühne. So können alle Anwesenden ihre Gebärden sehen. Denn Gebete, Bibeltexte, Glaubensbekenntnis und Gebärdenlieder werden in Deutscher Gebärdensprache vorgetragen. Auch die beiden tansanischen Gäste tragen ein Gebärdenlied aus Tansania bei. Dies wird von den Anwesenden gern aufgenommen und mitgebärdet.

Für die beiden Tansanierinnen übersetzen Pfarrer Christoph Hauschild und Pfarrerin Barbara Plümer den Gottesdienst ins Englische und in eine Behelfs-Lösung aus Deutschen Gebärden mit englischem Mundbild. Denn tansanische Gebärdensprache können die beiden Deutschen nicht.

Doch in der Behelfs-Kommunikation sind die vier nach vier gemeinsamen Tagen im Münsterland ein eingespieltes Team. Dort hatten sie neben einem kleinen touristischen Programm die Münsterlandschule, die Förderschule für Gehörlose, besucht. Die Schulleiterin der Schule nahm sich Zeit für ihre Kollegin aus Mwanga, und die Jugendlichen tauten bei der Begegnung mit den tansanischen Gästen schnell auf, wenn die gehörlose Lehrerin Hosiana Swai in (tansanischer) Gebärdensprache zu ihnen Kontakt aufnahm - über alle Sprachgrenzen hinweg.

Auch die Besucherinnen und Besucher in Recklinghausen folgen gebannt dem Vortrag der Tansanierinnen.

Nach Gottesdienst und Kaffee und Kuchen berichtet die Schulleiterin über die Schule und wird dabei von Pfarrer Schröder, dem Landesbeauftragten für Gehörlosenseelsorge, in Deutsche Gebärdensprache übersetzt. Sie berichtet, dass die Internatsschule derzeit von 103 Kindern und Jugendlichen besucht wird. Das spricht viele Anwesenden sofort an, denn viele von ihnen sind selbst in einem Internat für Gehörlose zur Schule gegangen. Besonders die Älteren kennen die Situation noch, ohne Gebärdensprachkenntnisse an die Schule zu kommen und erst dort Gebärden zu lernen.

Neu ist den Deutschen jedoch der streng getaktete Tagesablauf, und mit Interesse erfahren sie von den lebenspraktischen Projekten der Jugendlichen wie etwa dem Hühner-Projekt, für das im letzten Jahr in den Gemeinden gesammelt wurde. Dies Projekt trägt inzwischen Früchte - oder besser Eier - denn mittlerweile sind die Küken ausgewachsen und legen Eier für die Ernährung der Kinder.

Großes Erstaunen erzeugt der Bericht der gehörlosen Lehrerin. Sie berichtet über die Situation der Gehörlosen in Tansania. Dort sind etwa sechs Millionen Menschen gehörlos, also zehn Prozent der 62 Millionen Bürgerinnen und Bürger. In Deutschland ist 1 von 1.000 Menschen gehörlos. Also 100 mal weniger als in Tansania. Rechnet man jedoch alle Menschen in Deutschland hinzu, die nur dank Hörgerät sprechen und hören gelernt haben, sind die Zahlen von Deutschland und Tansania vergleichbar.

Auch der Bericht über die Feier des Tages der Gehörlosen in Tansania macht großen Eindruck. Denn dann treffen sich Gehörlose aus allen Regionen Tansanias an einem Ort, veranstalten einen bunten und lauten Umzug durch den Ort und feiern ihre Gehörlosenkultur.
Darin sind die deutschen Gehörlosen den tansanischen dann wieder sehr nahe: Sie sind stolz auf ihre visuelle Kultur.

Und so verlassen Deutsche wie auch die Tansanierinnen das Fest mit dem Gefühl der Verbundenheit untereinander und der Gewissheit, gemeinsam Geschwister im Glauben und in der Kultur zu sein.

Barbara Plümer

Zurück